Urbane Ideen – Ein Lösungsansatz für das L(i)ebenswerte Dorf?

... doch die Gründe sind vielfältiger als gedacht und kreative Lösungsansätze gibt es dennoch. So das Résumé zur öffentlichen Vortrags- und Diskussionsrunde am Montagabend im Sandhof in Langenenslingen.

Die LEADER-Aktionsgruppe Oberschwaben lud am Montagabend in den Sandhof nach Langenenslingen zum Vortrag und zur Diskussion auf die Frage „Urbane Ideen – Ein Lösungsansatz für das L(i)ebenswerte Dorf?“ ein. Rund 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer lauschten interessiert der Referentin Caroline Wenz, jüngstes Mitglied der LEADER-Aktionsgruppe und Absolventin des Masterstudiums in den Bereichen Planung und Partizipation. In ihrer Abschlussarbeit befasste sie sich unter anderem mit der Frage „Warum wandern junge Menschen zunehmende aus dem Landkreis Sigmaringen ab?“. Methodisch führte sie Interviews mit Betroffenen durch und entwickelte auf Grundlage ihrer Erkenntnisse einen Handlungsleitfaden für den Landkreis im Umgang mit Abwanderung.

In ihrem Vortrag stellte Frau Wenz dar, die Gründe des Wegzugs seien vielfältig: Bildungs- und Berufsmöglichkeiten, Loslösung vom Elternhaus, Kennenlernen anderer Lebenskulturen und Erkundung der Welt stünden vorrangig hinter der Entscheidung den Ländlichen Raum (vorübergehend) zu verlassen.

Leben auf dem Land für junge Menschen nicht unattraktiv

Aber das Leben auf dem Land ist für junge Menschen auch nicht unattraktiv. Luftqualität, Naturnähe, kaum Staus, Familienplanung, emotionale Bindungen wie das Vereinsleben oder auch berufliche Perspektiven spielten eine Rolle bei einer Rückkehr oder einer Ansiedlung. Wenig bekannt sei, dass es vor allem auch im Ländlichen Raum viele attraktive Arbeitgeber gäbe. Eine wichtige Rolle spiele die Hochschule in Sigmaringen. Durch die Anzahl der Studierenden befände sich ein hohes Potenzial an Personen im Raum, die sich ansiedeln könnten. Ein erleichternder Übergang in das Berufsleben innerhalb der Region könnte dieses Potenzial sinnvoll nutzen. Frau Wenz machte darauf Aufmerksam, Abwanderung stehe nicht nur mit Höherqualifizierten in Verbindung. Vor allem Menschen mit Behinderung könnten für ansässige Unternehmen ein großes Potenzial bergen, wenn entsprechende Förderungen und Maßnahmen umgesetzt würden. Zudem empfiehlt sie, vorhandene Strukturen trotz des Abwanderungstrends zu erhalten bzw. zu verbessern.

Maßnahmen für Rückkehr und Ansiedlung verbessern

„Im Ländlichen Raum würden überwiegend Alteingesessene und Konservative leben, das sei nicht attraktiv“. So eine Erkenntnis aus den Interviews. „Außerdem fehlten kreative Arbeits- und Wohnformen“. Und hier sei der springende Punkt, so Frau Wenz. Die Anzahl derer, die beispielsweise Homeoffice betreiben nehme stetig zu. So arbeiteten viele von zu Hause aus obwohl das Unternehmen in der Schweiz, Stuttgart o.ä. sei. Sie vermutet, der Trend ortsunabhängig zu arbeiten werde weiter zunehmen. Dies berge viele Möglichkeiten für den Ländlichen Raum. Eine Variante, die bereits im urbanen Umfeld praktiziert werde sei das sogenannte „CoWorking“. Der CoWorking Space ist ein integriertes und flexibles Geschäfts- und Arbeitsmodel, das sich auf die Bedürfnisse von Kreativ- und Wissensarbeitern fokussiert. Es handelt sich um einen Arbeitsraum, der den Aufbau eines Netzwerkes für den Wissensaustausch sowie Innovation und Weiterbildung zulässt. Hier können Personen unterschiedlichster Tätigkeitsfelder wie Journalisten, Grafiker, IT-Schaffende, Künstler, Architekten, Anwälte etc. in einem Raum / Gebäude den Arbeitsraum teilen. Das besondere hierbei ist, konkreter Austausch miteinander ist möglich und gewünscht und unterschiedliche Blickwinkel sowie Meinungen können das eigene Arbeiten bereichern. Zudem können die Räumlichkeiten auch für die Öffentlichkeit geöffnet und ein Ort für Veranstaltungen werden. Was man hierfür benötigt sind entsprechende Räumlichkeiten und Personen, die diese Art des kreativen Arbeitens wünschen. Und attraktive Leerstände gibt es in vielen Städten und Gemeinden zunehmenden. Somit ist dieses Modell nicht nur ein Privileg für Metropolen und Großstädte, sondern auch für Städte und Gemeinden im Ländlichen Raum. Zudem können Gemeinden Räumlichkeiten in Bürgerhäusern oder Rathäusern zur Verfügung stellen oder vermieten. Die 25 bis 39 jährigen bilden die größte Zielgruppe für diese Arbeits- und Lebensform, wovon der überwiegende Anteil einen Hochschulabschluss hat.

Aber wie umsetzen?

Einfach so, von „oben herab“ sollte dieses Modell nicht umgesetzt werden, so die Referentin. Test- und Machbarkeitsstudien in enger Zusammenarbeit mit der Bevölkerung vor Ort sind unentbehrlich. Technische Grundvoraussetzung ist eine zuverlässige Breitbandversorgung. Ohne diese ist digitales Arbeiten schlichtweg unmöglich. Im Landkreis Sigmaringen ist eine Zusammenarbeit mit der Hochschule absolut empfehlenswert.

Eine unkomplizierte Möglichkeit der digitalen Bürgerbeteiligung und Stimmungsabfrage bietet die Plattform COIN (Costumer Oriented Innovation). Ideen können formuliert werden und über eine Kommentarfunktion sowie einen Mausklick besteht die Möglichkeit seine Sympathie bzw. Meinung zu dieser Idee zu äußern. Die Gemeinde Gärtringen bei Herrenberg beispielsweise nutzt diese Plattform mittlerweile.

Ideen und Diskussionen

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten angeregt über die Möglichkeiten, die vor allem Gemeinden mit weit unter 1000 Einwohnern hätten. Gebäude gäbe es tatsächlich in großen Mengen, nur die Personen fehlten – so eine Aussage. Eine Befragung und gemeinsame Entwicklung mit der Bevölkerung sei unerlässlich, erläutert die Referentin. Der Wunsch müsse „von unten“ kommen.

Große Probleme werde man allerdings in wenigen Jahren bekommen, da die Handwerksbetriebe mit großem Nachwuchsmangel kämpfen. Auch diese Urbane Ideen würden sich nur an Akademiker richten und die Handwerksberufe außen vor lassen. Der alleinige Fokus auf Höherqualifizierte und die Urbanisierung des Ländlichen Raumes könne nicht die Probleme lösen, die auf dem Land herrschen – so ein Bürgermeister.

In einem waren sich alle einig: Egal welche Lösung, Arbeits-, Wohn- oder Lebensform gelebt bzw. angeboten werde, „ohne viele Mb’s aus der Steckdose ginge überhaupt nichts“. Der Breitbandausbau sei Grundvoraussetzung für Menschen, die in den ländlichen Raum zurückkehren oder diesen als Lebensraum entdecken.

Start-ups eine Chance geben – es gibt viele kreative Ideen und Projekte, die zur Umsetzung kommen sollen. Doch leider passiert es nicht selten, dass diese bereits im Kern erstickt werden. Hohe Miet- oder Pachtkosten, Hürden der Verwaltung etc. verringern die Bereitschaft oder die Möglichkeiten, dass sich ein junger Mensch einen kreativen Traum verwirklicht und bereit ist ein Risiko einzugehen. Gemeinden und Städte sollten flexibel sein und vor allem Anreize in Leerstandsgebäuden schaffen, dass sich motivierte Start-ups dazu entscheiden ihr Unternehmen auch auf dem Land aufzubauen.

Heinrich Güntner von der LEADER-Aktionsgruppe freute sich über die rege Teilnahme und stellte fest, man befinde sich in einem Prozess, der angestoßen ist und die Richtung sowie das Ziel seien noch offen. Aber dies lasse auch viele Entwicklungsmöglichkeiten zu. „Wir müssen einfach Machen und schauen was passiert, denn etwas Neues auszuprobieren, bedeutet neue Chancen und man darf auch mal scheitern!“

 

Haben Sie eine Idee, wie wir die CoWorking-Idee oder änliche Ansätze in der LEADER-Region anpacken können? Oder haben Sie ein Gebäude, das sich dafür eignen würde, wissen aber nicht, wie Sie dieses für eine alternative Wohn- und Arbeitsform zur Verfügung stellen können? Oder Sie möchten der LAG einfach Ihre Meinung sagen, Wünsche äußern etc.? Dann melden Sie sich bei uns über unser Kontaktformular, oder rufen Sie einfach an unter 07571 - 102 5010. Wir würden uns freuen, wenn wir den Prozess "von unten" begleiten und unterstützen dürfen.

 

Hier sind noch ein paar Internetlinks mit Beispielen aus der Praxis:

Die Gründervilla in Kempten LINK

CoWorking im Gemeindehaus "PostSTUDIOS" LINK

Die Plattform COIN am Beispiel der Gemeinde Gärtringen LINK